Dass sich die Marktmiete stetig weiter von der ortsüblichen Vergleichsmiete des Hamburger Mietenspiegels entkoppelt hat, ist in Hamburg seit Jahrzehnten ein stetiger Prozess und selbstverständlich keine Wunschkonstellation eines Vermieters. Bis zur Einführung der Mietpreisbremse konnten Vermieter hiermit jedoch leben, da im Zuge der Neuvermietung die Marktmiete im neuen Vertragsverhältnis wieder neu vereinbart werden konnte. Zudem hatte sich diese Mietpreisreduktion im Bestand auf den Verkehrswert der Immobilie ausgewirkt, so dass vermietete Eigentumswohnungen mit langjährigen Bestandsmietverhältnissen gegenüber frei lieferbaren Wohnungen mit einem Preisabschlag von rund 10-20% auf dem Markt gehandelt wurden.

Im Zuge der Einführung der Mietpreisbremse wirkt sich jedoch die reduzierte ortsübliche Vergleichsmiete des Hamburger Mietenspiegels auch auf die Neuvertragsmieten aus, da sich diese seit der Einführung der Mietpreisbremse auch an der ortsüblichen Vergleichsmiete zu orientieren haben. Würde der Preisaufschlag von 10% nicht greifen und würden keine Ausnahmetatbestände gelten, so hätten wir in Hamburg ein einheitliches Mietpreisgefüge pro Mietenspiegel-Rasterfeld.

Gerade im Zuge von steigenden Handwerker- und Materialkosten sowie stark angestiegenen Immobilienpreisen bei gleichzeitig steigenden Zinsen bedeutet eine solche weitestgehende Mieten-Stagnation für einen langfristig orientierten Bestandsvermieter sinkende Erträge aus der Immobilienbewirtschaftung – nicht selten ist diese für den Kleinvermieter sogar defizitär. Viele Kleinvermieter würden sogar wirtschaftlich besser dastehen, wenn sie ihr Kapitalanlageobjekt spekulationssteuerfrei veräußern würden und die Gewinne auf Basis der stark angestiegenen Immobilienpreise realisieren würden. Inflation, mangelnde Anlagealternativen und die stark angestiegene Inflation sind jedoch für einen Exit keine optimalen Rahmenbedingungen, so dass ein Verkauf in den meisten Fällen ausschließlich sinnvoll ist, wenn bereits ein Plan zur Mittelverwendung feststeht, wie zum Beispiel die Entschuldung der selbst genutzten Immobilie, vollständige Entschuldung anderer Kapitalanlageobjekte oder andere Investitionen zur Steigerung der eigenen Lebensqualität.

Diese Rahmenbedingungen sowie die anstehenden energetischen Anforderungen im Gebäudebestand führen zu einer starken Verunsicherung der Immobilieninvestoren und Kapitalanleger und in der Folge zu stark reduzierten Investitionen in den Bestand sowie in den Neubau, obwohl dieser aufgrund der stark angestiegenen Nachfrage dringend benötigt wird. Die politisch erklärten Ziele werden wiederholt verfehlt und in den kommenden Jahren ist eine Besserung der Neubausituation nicht absehbar, da die Rahmenbedingungen aufgrund der langwierigen Genehmigungsprozesse, ausufernden Verordnungen und Gesetze im Neubau als auch der anhaltenden Inflation keine Besserung erkennen lassen.

Aus diesem Grunde hat das Team um den Wissenschaftler Prof. Dr. Steffen Sebastian einen unpopulären Vorschlag unterbreitet, wie diesem Problem begegnet werden könnte, denn Wohnraum scheint ausreichend vorhanden zu sein, er ist Angabe gemäß nur falsch verteilt. Es wird angeregt, den Bestandsmieterschutz zu reduzieren oder gar aufzuheben. In der Folge würden die Bestandsmieten steigen und Mieter würden sich eher eine bedarfsgerechtere Wohnung suchen – sie könnten nicht mehr dem überbordenden Bestandsmieterschutz mit einer stark gedeckelten ortsüblichen Vergleichsmiete vertrauen. Politisches Ziel in diesem Zuge ist, dass nicht flächendeckend alle Bestandsmieter ungeachtet der tatsächlichen Notwendigkeit über das Maß hinaus geschützt werden, sondern ausschließlich bedürftige Mieter über ein entsprechend anzuhebendes Wohngeld entsprechend unterstützt werden.

  • Beispiel 1: Eine ältere Dame bewohnt seit dem Jahre 1990 eine 100 qm große Mietwohnung mit vier Zimmern im 2. Obergeschoss eines kleinen Mietshauses eines Privatvermieters in Barmbek-Süd, welches im Jahre 1975 erbaut worden ist. Die Blockabschnitte des Stadtteils Barmbek-Süd sind gemäß Wohnlagenverzeichnis zwingend der normalen Wohnlage zuzurechnen und somit beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß Mittelwert des einschlägigen Rasterfeldes K/4 des Hamburger Mietenspiegels derzeit € 6,54 / m², so dass die Bestands-Nettokaltmiete € 654,00 beträgt. Die rüstige verwitwete Rentnerin, deren zwei Kinder vor rund 25 Jahren ausgezogen sind, könnte sich gut vorstellen, in eine kleinere barrierefreie Wohnung mit zwei Zimmern in einen Neubau zu ziehen, allerdings müsste sie hier bei 50m² Wohnfläche derzeit eine Nettokaltmiete von € 985,00 zahlen – 51% mehr Nettokaltmiete bei Halbierung der Wohnfläche. Sie wird an der Wohnung festhalten, solange sie den Weg ins 2. Obergeschoss noch bestreiten kann. Die familiengerechte Wohnung wird aller Voraussicht nach auch die kommenden Jahre dem Mietmarkt nicht zu Verfügung stehen.

 

  • Beispiel 2: Ein junger Mann hat im Jahre 2001 eine 2-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Altona mit 42m² Wohnfläche bezogen – die Eigentümerin, eine Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft, hat das Mehrfamilienhaus im Jahre 1963 errichtet. Der zwischenzeitlich 45 Jahre alte Mann hatte die vergangenen 20 Jahre primär seiner Karriere gewidmet, neben kürzeren Lebenspartnerschaften war ihm das große Liebesglück bislang verwehrt geblieben, ein Kinderwunsch bestand nicht. Die Wohnung im Stadtteil Altona-Mitte ist zwingend der normalen Wohnlage des Wohnlagenverzeichnisses zuzuordnen, so dass die aktuelle Nettokaltmiete gemäß des einschlägigen Rasterfeldes I/2 derzeit € 7,41 / m² bzw. € 311,22 insgesamt beträgt. Seit einem halben Jahr lebt der Mittvierziger in einer neuen Beziehung, seine Lebenspartnerin wohnt unter ähnlichen Rahmenbedingungen. Ein Zusammenziehen wurde schon des Öfteren besprochen, allerdings hat man sich aufgrund der Mietpreise der derzeitigen Mietangebote dazu entschlossen, an der derzeitigen Wohnsituation nichts zu ändern. Da der Mann zwischenzeitlich mehr bei seiner Freundin lebt als in seiner eigenen Wohnung, hat er auch in Erwägung gezogen, sein Mietverhältnis zu kündigen und vollständig zu seiner Lebenspartnerin zu ziehen. Aufgrund der günstigen Miete behält er jedoch seinen Rückzugsort bei und muss bei Scheitern der Beziehung nicht fürchten, ohne Wohnung dazustehen bzw. eine vergleichbare Wohnung zu einem wesentlich höheren Mietpreis anzumieten.

Gemäß Stadtteil-Profilen des Statistikamtes Nord (Stand: Dezember 2019) sind 54,3% der Hamburger Haushalte als Single-Haushalte geführt – in Hamburg-Dulsberg sind es sogar 71,7%. Hamburg ist damit Single-Hauptstadt in Deutschland.

Nun ist es nicht so, dass die mietpreishemmenden Faktoren in allen Rasterfeldern gleich stark ausgeprägt sind. Die stärksten preissenkenden Einflüsse zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete finden sich in den Nachkriegsbaujahren bis zum Baujahr 1977 (Spalten H / I / K) der normalen Wohnlage (12 von insgesamt 81 Mietenspiegel-Rasterfeldern), in denen ein Großteil des repräsentierten Wohnungsbestands zu finden ist, mithin fast jede zweite Mietwohnung.

Diese beiden Beispiele verdeutlichen eindrucksvoll die Notwendigkeit der Diskussion um den angeregten politischen Ansatz durch das Team um Prof. Sebastian, der auch die Bundesregierung berät und die gif-Mietspiegelkommission leitet. Würde der Bestandsmieterschutz aufgeweicht, würden die Bestandsmieten wieder nachgelagert den Marktmieten folgen, so wie es die eigentliche Aufgabe von Mietspiegeln ist. Anstatt des flächendeckenden Mieterschutzes mit der Gießkanne könnten aus den gesteigerten Steuereinnahmen gezielt bedürftige Mieter durch steigende Wohngeldzuschüsse unterstützt werden, so dass diese ihr gewohntes Lebensumfeld aufgrund dieser Maßnahmen nicht verlieren. Mehr Wohnungen würden durch Zusammenzug dem Mietmarkt wieder zur Verfügung stehen und viele ältere Mieter hätten einen wirtschaftlichen Anreiz, die Wohnsituation Ihrer tatsächlichen Lebenssituation anzupassen.

Größte Herausforderung bei der Verfolgung dieses politischen Ansatzes ist jedoch, gerade ältere Menschen nicht aus ihrem gewohnten Lebensumfeld zu verdrängen, so dass es entsprechender Maßnahmen bedarf. Hier sind zunächst insbesondere die größeren Vermieter gefordert, den Bedarf und die generelle Umzugsbereitschaft ab einem bestimmten Lebensalter insbesondere bei Single-Haushalten abzufragen, gekündigte kleinere Wohnungen diesen älteren Mietern bevorrechtigt anzubieten und die wiederum frei werdenden Wohnungen bedarfsgerechter zu vermieten. Bei Privatvermietern könnte dies beispielhaft durch Unterstützung von Haus & Grund mittels einer eigenen Vermietungsplattform erfolgen, so dass bereits im Vorwege ein entsprechender Nachfragepool geschaffen würde.

  1. Bestandsmieter mit ausreichendem Einkommen würden marktgerechter belastet, müssten jedoch ihre Lebenssituation nicht verändern und in der Regel keinen Konsumverzicht üben.
  2. Bestandsmieter mit unzureichendem Einkommen würden durch entsprechend anzuhebende Wohngeldzuschüsse unterstützt, die durch die gesteigerten Steuereinnahmen gegenfinanziert werden.
  3. Durch die Abschaffung bzw. Reduzierung des Bestandsmieterschutzes würden viele Bestandswohnungen sukzessive dem Mietmarkt zugeführt werden, was den Nachfragedruck entschärfen würde.
  4. Vermietung würde sich wieder eher rechnen, Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen würden nicht zurückgestellt und es könnte sich wieder lohnen, in den Mietgeschosswohnungsbau zu investieren.
  5. Die Hansestadt könnte aufgrund der angestiegenen Bestandsmieten höhere Steuereinnahmen verzeichnen, die gezielt in höhere Wohngeldzuschüsse bzw. in die Förderung des Wohnungsbaus investiert werden könnten. Nach Meinung des Autors ist die geforderte Einführung eines Vermieter-Solidaritätszuschlags entbehrlich, da die Einkünfte zumindest seitens der privaten Vermieter sowie freien Wohnungsunternehmen in vollem Umfang entsprechend besteuert würden.

 

Kern des Problems sind weder die Kappungsgrenze noch die Mietpreisbremse, denn hierbei handelt es sich um geeignete Maßnahmen, um den Mietpreisanstieg zu bremsen. Die gewünschte erneute Reduzierung der Kappungsgrenze auf 11% wäre jedoch nicht mehr maßvoll, denn gerade private Kleinvermieter würden durch diese weitere Reduzierung benachteiligt, die von ihren Erhöhungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren keinen Gebrauch gemacht haben und durch die energetischen Maßnahmen hierzu zukünftig gezwungen sein könnten. Im Übrigen kommt eine solche Diskussion hinsichtlich einer weiteren Reduzierung der Kappungsgrenze zur Unzeit, denn bereits heute liegt in Hamburg die Erhöhungsmöglichkeit von 15% binnen eines Zeitraums von drei Jahren unterhalb der statistisch hochgerechneten Inflation.

Auch eine weitere Reduzierung der Umlagefähigkeit von Modernisierungsmaßnahmen würde wiederum zu sinkenden Investitionen und einseitiger Mehrbelastung der Vermieter führen, wodurch das gewünschte Ziel der vermieterseitigen Investition in den Bestand sowie in den Neubau wiederum konterkariert werden würde. In einem normalen Mietmarkt folgt die Marktmiete im gleitenden Durchschnitt ungefähr der Inflation – da die durchschnittliche Einkommensbelastung der Mieterhaushalte durch die Miete sogar sinkt, liegt der Anstieg sogar unter den Haushaltseinkommen und somit aller Voraussicht nach auch unter der statistischen Inflation. Preisstabilität wird bei einer Inflation von 2% gesehen, so dass in einem gesunden und ausgeglichenen Mietmarkt die Mietpreise auch in diesem Bereich liegen dürften. Aus diesem Grunde ist die Diskussion um die Umlagefähigkeit der Modernisierungsmaßnahmen fadenscheinig, denn der Erhöhungsbetrag einer Modernisierungsmieterhöhung darf nicht separat zur eigentlichen Nettokaltmiete ausgewiesen werden, so dass die Modernisierungsmieterhöhung sukzessive in der (inflationär) ansteigenden ortsüblichen Vergleichsmiete aufgeht.

Kern dieser politischen Diskussion ist vielmehr der übermäßige Bestandsmieterschutz über die politisch gewollte preisgünstige ortsübliche Vergleichsmiete, die auch nicht mehr annähernd der tatsächlichen Marktmiete folgt. Und anstatt diesem Problem in der Vergangenheit zu begegnen, wird die ortsübliche Vergleichsmiete – die in Hamburg regelmäßig über den Hamburger Mietenspiegel festgestellt wird – dazu genutzt, auch das Neuvermietungsniveau politisch zu senken, indem die Neuvertragsmiete seit Einführung der Mietpreisbremse an der ortsüblichen Vergleichsmiete auszurichten ist. Verschärft wurde dieses Problem noch jüngst durch die Ausweitung des Betrachtungszeitraums der einfließenden Vergleichsmieten von bislang vier auf nunmehr sechs Jahre, um den Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete in den Mietspiegeln nochmals zu begrenzen.

Größter preissenkender Faktor bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete in Hamburg sind die einfließenden Vergleichsmieten der SAGA/GWG sowie der Hamburger Wohnungsgenossenschaften. Beide Vermietergruppen vermieten ihre Wohnungen gemäß Angaben aus den Geschäftsberichten (SAGA/GWG sowie die großen Hamburger Wohnungsgenossenschaften) zum Mittelwert des jeweiligen Mietenspiegel-Rasterfeldes, so dass jede einfließende Neuvertragsmiete stagnativen Einfluss auf den Hamburger Mietenspiegel hat. Da die Bestandsmieten Angabe gemäß noch unter den Neuvertragsmieten liegen, hat jede einfließende Vergleichsmiete bei einer Mieterhöhung im Bestand sogar preissenkenden Einfluss auf den Hamburger Mietenspiegel. Dass die SAGA/GWG mit ihrem politischen Auftrag der Versorgung der Bürger mit günstigem Wohnraum dieser Mietpreispolitik folgt, ist nachvollziehbar. Die Hamburger Genossenschaften können dieser identischen Mietenfestlegung jedoch ausschließlich folgen, da sie fast vollständig steuerbefreit sind – zum einen zahlen sie als Vermietungsgesellschaft keine Gewerbesteuer und ergänzend muss auf die Umsatzerlöse aus der Hausbewirtschaftung für alle Mitglieder keine Körperschaftsteuer entrichtet werden, was einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Privatvermietern entspricht. Berücksichtigt man zudem, dass die Genossenschaftsmitglieder nicht nur Mieter bzw. Berechtigte von Dauernutzungsrechten sind, sondern zugleich Gesellschafter der Genossenschaft, so halten sie die Genossenschaft selbst und sind faktisch Eigentümer. Ob genossenschaftliche Dauernutzungsrechte somit Marktmieten im Sinne des Gesetzes sind, die überhaupt als Vergleichsmiete in den Hamburger Mietenspiegel einfließen dürfen, muss in diesem Zuge kritisch hinterfragt werden.

 

Hamburg, 08.05.2023

Haus- und Grundeigentümerverein Hamburg-Rahlstedt e.V.

Schweriner Str. in 22143 Hamburg

www.hug-rahlstedt.de

 

Autor

Fabian Röhr

Vorstandsvorsitzender